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Klaus Geyer

Klaus Geyer, © Auswärtiges Amt
2009 – 2012
[...] Zu unserer großen Freude zeigte sich Helmut Schmidt auf unsere Anfrage dazu bereit. Das Treffen fand in einem Hotelzimmer statt. Beide mittlerweile im Rollstuhl sitzende Herren hatten anfangs etwas Mühe, ins Gespräch zu kommen [...]
Zu den angenehmen Aufgaben eines Generalkonsuls gehört die feierliche Übergabe eines Ordens der Bundesrepublik Deutschland. Doch was ist zu tun, wenn eine Persönlichkeit des Gastlandes bereits Inhaber aller Orden ist, die in seinem Fall möglich sind und weiterhin gute und auszeichnungswürdige Dinge tut? Mit einem solchen, auch für mich ganz neuen Fall war ich während meiner Zeit als Generalkonsul in Montreal (2009 – 2012) befasst:
Viele Montrealer werden sich an Herrn Rolf C. Hagen erinnern, der sich nach seiner Auswanderung nach Kanada in den frühen 50er Jahren zu einem erfolgreichen Geschäftsmann und Firmengründer entwickelt hatte und Zeit seines Lebens nicht nachließ, die deutsche Gemeinschaft in Montreal, die Kirchengemeinden und nicht zuletzt die Alexander-von-Humboldt-Schule mit großzügigen Spenden zu bedenken. Schon vor meiner Ankunft hatte er einen namhaften Beitrag zum Bau der neuen Sporthalle der Schule geleistet, die den Namen „Hagen Sports Center“ trägt. Sowohl das Bundesverdienstkreuz als auch das Große Bundesverdienstkreuz besaß er schon seit Langem. Wie konnten wir ihm dafür und für die vielen sonstigen kleineren und größeren Spenden angemessen danken? Plötzlich ergab sich eine Lösung: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt kündigte für Ende Mai 2011 seinen Besuch an, um in der Stadt Quebec am Jahrestreffen des „InterActionCouncil“, einem Zusammenschluss ehemaliger Staats- und Regierungschefs, teilzunehmen, welches dort auf Einladung des früheren kanadischen Ministerpräsidenten Jean Chrétien stattfand. Auf dem Rückweg waren ein Besuch am Grab seines Freundes Pierre Trudeau in St. Rémi und der Heimflug ab Flughafen Montreal geplant. Als Rolf Hagen davon erfuhr, äußerte er den großen Wunsch, den von ihm seit seinem Einsatz bei der Sturmflut im Februar 1962 verehrten ehemaligen Hamburger Innensenator nur einmal kurz zu treffen und ein paar Worte mit ihm zu wechseln, maximal 5 Minuten lang. Dies war vom Besuchsablauf am besten im Flughafenhotel möglich. Zu unserer großen Freude zeigte sich Helmut Schmidt auf unsere Anfrage dazu bereit. Das Treffen fand in einem Hotelzimmer statt. Beide mittlerweile im Rollstuhl sitzende Herren hatten anfangs etwas Mühe, ins Gespräch zu kommen. Doch das änderte sich schlagartig, als sie begannen, Jugenderinnerungen auszutauschen. Es stellte sich heraus, dass Rolf Hagen dieselbe Hamburger Berufsschule besucht hatte, an der Helmut Schmidts Vater zu seiner Zeit Rektor war. Die Familie Schmidt hatte ihrerseits regelmäßig Urlaub im Ostseebad Grömitz, dem Heimatort der Hagens gemacht. Bald unterhielt man sich auf Plattdeutsch. Erst nach 45 Minuten verabschiedeten sie sich in offenkundig bester Laune. Alle Gäste verließen das Zimmer, damit Helmut Schmidt vor dem Abflug noch ein wenig auszuruhen konnte. -
Rund vier Monate später erschien auf dem deutschen Buchmarkt ein gemeinsames Buch von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück mit dem Titel „Zug um Zug“, einem Dialog über die großen Themen der Welt, zu denen aus der Sicht des notorischen Rauchers Helmut Schmidt auch das weltweit um sich greifende Rauchverbot zählte. Natürlich hatten wir ihn bei den Besuchsvorbereitungen darüber unterrichtet und mehrfach daran erinnert, dass dies auch für kanadische Hotelzimmer galt. Er schien dies aber in Montreal über das angeregte Gespräch vergessen zu haben, was sich in seinem Buch in der folgenden Passage niederschlug (S.18): „Ein bisschen Ansehen hatte ich in Amerika. Aber jüngst in Kanada habe ich im Hotel 150 Dollar extra bezahlt dafür, dass das Hotelzimmer, nachdem es vom Raucher Schmidt benutzt worden war, grundgereinigt werden musste...“ Auf die Bemerkung von Peer Steinbrück, dass dieser Verstoß in Hamburg nur 60 Euro gekostet hätte, fuhr er fort: „60 Euro? Ist billiger als 150 Dollar! Nein, im Ernst, das ist eine Hysterie, die sich von Amerika aus über die halbe Welt verbreitet hat. Das wird aber genauso zu Ende gehen wie die Prohibition.“
Die Raucher werden ihm für diese tröstliche Vision danken. Doch wird sie jemals verwirklicht?